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Patricia Schlesinger Jahresbonus, Chauffeurdienste, Büro-Luxus für 650.000 Euro - Neue Vorwürfe gegen RBB-Intendantin

Veröffentlicht am 07.08.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Anette Dowideit
Ressortleiterin Investigativteam

Die Liste der Vorwürfe gegen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger wird länger, wie neue Recherchen von "Business Insider" und "Bild" offenbaren. Zuvor hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Keller strengere Kontrollen des RBBs durch den Landesrechnungshof gefordert. Patricia Schlesinger ist als ARD-Vorsitzende zurückgetreten, RBB-Intendantin will sie bleiben. "Ich glaube nicht, dass sie sich halten kann", sagt Kayhan Özgenc, Chefredakteur von Business Insider. Er erklärt, warum der Druck letztendlich zu groß werden könnte.
Quelle: WELT

Die Liste der Vorwürfe, die RBB-Intendantin Patricia Schlesingers privaten Umgang mit Geldern und Privilegien betreffen, ist lang und wird immer länger. Neue Recherchen von "Business Insider", das wie WELT zum Verlagshaus Axel Springer gehört, haben nun ergeben, dass Schlesinger im Jahr 2021 zuzüglich zu ihrem Grundgehalt von etwa 300.000 Euro - etwas mehr, als der Bundeskanzler an Grundgehalt erhält - einen 20.000-Euro-Bonus bekommen haben soll. Andere, teils deutlich quotenstärkere ARD-Anstalten zahlen so einen Bonus nicht aus.

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Ein weiterer Sachverhalt, der Kritik hervorrief, betrifft Schlesingers Umgang mit ihrem Fahrdienst. Laut "Business Insider" mietet der RBB seit 2017 Autos im Wert von etwa 150.000 Euro - zuzüglich zweier Privatchauffeure. Schlesinger soll in der Vergangenheit damit nicht nur zur Arbeit oder Geschäftsterminen gefahren sein, sondern auch zu privaten Zwecken. Dass sie ihre Chauffeure dazu nutzen durfte, hatte sie sich - wieder als einzige ARD-Intendantin - vertraglich zusichern lassen. Dem "Business Insider" sagte ein anonynmer Fahrer über Schlesingers Nutzungsverhalten: "Sie wird zu Hause abgeholt und abgesetzt, zur Physiotherapie gebracht, ihre Wäsche abgeholt, Einkäufe erledigt." Angestellte der Berliner Messe hätten zudem versichert, bezeugt zu haben, dass auch Schlesingers Mann Spörl ihren Fahrdienst genutzt hätte, um mit Pomp vor Terminen aufzufahren.

Aus diesen Vorteilen ergebe sich, so "Business Insider", ein zu versteuernder geldwerter Vorteil, der um einiges höher sein dürfte als bei anderen Intendanten, die Chauffeure und Wagen nicht privat nutzen. Wie hoch diese Summe im Fall Schlesingers ist, die die Sender üblicherweise auf das Intendanten-Grundgehalt aufschlagen - also auch aus öffentlichen Geldern zahlt - dazu schweigt der RBB sich aus.

Die "BILD"-Zeitung - ebenfalls bei Axel Springer - enthüllte zudem am Sonntagabend, dass Schlesinger die Chef-Etage im RBB-Hochhaus nach ihrem Einzug extrem kostenaufwendig umbauen und neu ausstatten ließ. Ihre Einkaufsliste beschreibt "BILD" wie folgt: Ein hochwertiger Öko-Parkett-Boden für etwa 17.000 Euro; ein Massagesessel für knapp 1300 Euro; eine bepflanzte Wand mit Auto-Bewässerung für ungefähr 7700 Euro; sowie Designer-Möbel von Marken wie "Vitra" für insgesamt gut 60.000 Euro. Insgesamt sollen laut "BILD" knapp 660.000 Euro für den Gesamt-Umbau des 13. Stockwerks im West-Berliner RBB-Sitz veranschlagt worden sein.

SPD-Politiker Keller für strengere Aufsicht des Landesrechnungshofs über den Sendeanstalt

Zuvor hatte der Vorsitzende des Hauptausschusses im Brandenburger Landtag, Daniel Keller (SPD), hat eine strengere Aufsicht der Finanzkontrolleure von Berlin und Brandenburg über den RBB gefordert.

Im Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" rief er dazu auf, den Verwaltungsapparat des RBB und insbesondere die finanziellen Vorgänge des Senders der Prüfung durch den Landesrechnungshof der beiden Bundesländer zu unterstellen. Der Hauptausschuss des Landtags ist unter anderem für Medienfragen zuständig.

Hintergrund sind Vorwürfe gegen die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger. Diese steht seit längerem wegen diverser Affären in der Kritik, unter anderem geht es um den Gebrauch ihres Dienstwagens, nicht-richtlinienkonformen Gebrauch ihrer privaten Mail-Adresse, Geschäftsessen in ihren Privaträumen und einen dubiosen Bonus; in den vergangenen Monaten wurde zudem Kritik an ihrem Management des RBB-Prestigeprojekts "Digitales Medienhaus" laut, dessen geschätzte Kosten auf 150 Millionen explodiert sind.

Unter anderem hatte sie für Abendessen in ihrer Privatwohnung "ohne Getränke" bis zu 56,53 Euro pro Kopf abgerechnet. Das geht aus ihrer Antwort auf die Fragen der Brandenburger Medienaufsicht zu Compliance-Vorwürfen hervor, die WELT vorliegt. Angaben über Teilnehmer der als "dienstlich" geltend gemachten Abendessen machte die Senderchefin nicht - obwohl die Aufseher explizit danach gefragt hatten.

Vorwürfe, die in diesem Zusammenhang erhoben wurden und sich unter dem Schlagwort "Vetternwirtschaft" zusammenfassen lassen, betreffen auch den RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf. Dieser lässt derzeit sein Amt ruhen. Impliziert in die Vorwürfe gegen Schlesinger ist auch ihr Ehemann, der ehemalige "Spiegel"-Journalist Gerhard Spörl, dem Wolf-Dieter Wolf in seiner anderen ehemaligen Rolle als Aufsichtsratschef der Berliner Messe einträgliche Berater-Aufträge verschafft hat.

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Schlesinger hat bereits ihren Verzicht auf den ARD-Vorsitz erklärt, ist aber weiter Intendantin des RBB. Der RBB-Rundfunkrat wird am Montag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Wenn sich die verschiedenen Vorwürfe gegen Schlesinger entweder durch den Verwaltungsrat, durch die vom RBB mit einer Prüfung beauftragte Rechtsanwaltskanzlei oder den Hauptausschuss bewahrheiten sollten, müsse es personelle Konsequenzen geben, mahnte Keller. Die zuständigen Ausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Landtags von Brandenburg planten derzeit eine Anhörung auch mit Blick auf eine Reform des Rundfunkstaatsvertrags. Dabei gehe es auch darum, ob die Prüfrechte der beiden Rechnungshöfe ausreichten oder ob Veränderungen nötig seien.

Patricia Schlesinger tritt als ARD-Vorsitzende zurück Patricia Schlesinger tritt mit sofortiger Wirkung als ARD-Vorsitzende zurück. Grund sind Vorwürfe der Vetternwirtschaft und falsch abgerechneter Abendessen. RBB-Intendantin will Schlesinger aber weiterhin bleiben.
Quelle: WELT

Quelle: epd/coh/jac/welt.de

RBB-Affäre Der teure Ballast der Öffentlich-Rechtlichen

Stand: 20.0802022 | Lesedauer: 5 Minuten

Von Alexander Dinger, Torsten Hampel, Ulrich Kraetzer

Die ARD hatte geplant, die Bürosoftware des Herstellers SAP für alle Anstalten anzugleichen. Bislang nutzte jede Anstalt ihr eigenes SAP-System. Quelle: pa/Geisler-Fotop/Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Wildwuchs und ausufernde Kosten sehen Experten nicht nur bei Bauvorhaben und Boni für die Chefetagen. Bei einem Schlüsselprojekt spart die ARD weniger als ursprünglich beabsichtigt. Fragen werfen auch die Kunstsammlungen der Sender auf.

Wie verantwortungsvoll geht der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) mit dem Geld der Beitragszahler um? Nach den Vorwürfen gegen die mittlerweile abberufene RBB-Intendantin Patricia Schlesinger fordern Politiker mehrerer Parteien eine strengere Ausgabendisziplin. Die Anstalten sollten sich stärker auf ihre Kernaufgaben fokussieren, anstatt sich auf kostspieligen Nebenschauplätzen zu verlieren.

Für Unmut sorgen zunächst weiterhin die Chefgehälter: Der RBB veröffentlichte zwar auf seiner Internetseite die Gehälter der Mitglieder der Geschäftsführung und suggerierte so Offenheit. Tatsächlich aber erhielten die Chefs zusätzlich Boni, die der Sender als variable Gehaltsbestandteile deklarierte. Der amtierende Intendant Hagen Brandstäter erhielt in seiner vorherigen Funktion als Verwaltungsdirektor zusätzlich zum Festgehalt von 230.000 Euro einen Bonus von gut 30.000 Euro. Insgesamt profitierten vom Bonussystem zuletzt 30 Führungskräfte, teilte der RBB nun dieser Zeitung mit. Wie hoch der Zuschlag für die geschasste Intendantin Schlesinger ausfiel, verschweigt der RBB weiterhin.

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Zum RBB-Bonussystem veröffentlichte "Business Insider" am Freitag weitere Details. Demnach beförderte der Sender nach dem Schlesinger-Abgang trotz interner Kritik die Ehefrau der Juristischen Direktorin in die Geschäftsleitung. Sie war zuvor als Personalchefin für das Bonussystem zuständig, von dem die Führungskräfte profitierten. Interne Dokumente belasten zudem den langjährigen Verwaltungsdirektor Brandstäter: Demnach soll die Sendeanstalt auch bereits ausgeschiedenen Mitarbeitern weiter Gehälter gezahlt haben.

Wildwuchs und ausufernde Kosten sehen Experten inner- und außerhalb der Anstalten aber auch in anderen Bereichen - und nicht nur beim RBB. Schon im Oktober 2016, also vor fast sechs Jahren, hatten die Bundesländer ARD, ZDF und Deutschlandradio aufgefordert, Sparvorschläge zu unterbreiten. Allein der Senderverbund der ARD versicherte daraufhin 2017, er plane 20 Einsparprojekte bis zum Jahr 2028 und wolle auf diese Weise um mehr als eine halbe Milliarde Euro günstiger werden. "Wir verschlanken unsere Strukturen, senken Kosten und bringen zugleich durch intensivere Kooperation mehr Innovationen ins Programm", versprach die ARD damals. Die 20 Projekte setzen an ganz unterschiedlichen Bereichen an, es geht dabei etwa um ausufernd teure TV-Produktionen oder darum, die Sendung "Mittagsmagazin" nach Berlin zu verlagern.

WELT AM SONNTAG hat nun bei der ARD nachgefragt, was aus diesen Projekten wurde. Der Senderverbund versicherte in seiner Antwort, die Einsparziele würden "nach aktuellem Stand" bei den meisten Projekten erreicht. Allerdings: Ausgerechnet bei einem Vorhaben mit besonders hohem Sparpotenzial hakt es. Und zwar bei dem Plan, bei den Sendeanstalten eine einheitliche IT-Infrastruktur und Verwaltungssoftware einzuführen.

Konkret geht es darum: Die ARD hatte geplant, die Bürosoftware des Herstellers SAP für alle Anstalten anzugleichen. Bislang nutzte jede Anstalt ihr eigenes SAP-System. Die ARD hatte angekündigt, durch eine Vereinheitlichung bis zum Jahr 2028 fast 73Millionen Euro einsparen zu können. Nun aber, teilte der Senderverbund auf WELT AM SONNTAG-Anfrage mit, sollen die Einsparungen in diesem Bereich um gut 38 Millionen Euro niedriger ausfallen. Der Grund: Die beabsichtigte Harmonisierung sei "sehr komplex und umfangreich".

"Es wird immens gespart und dann lässt es sich die Chefetage so richtig gut gehen"

"Sie nennen es Zielprämien. Am Ende des Tages hat Schlesinger auf das Gehalt was draufbekommen", sagt Kayhan Özgenc, Chefredakteur vom Business Insider, zum Fall Schlesinger. Im WELT-Gespräch verrät er, was sein Team über das bislang geheime Bonussystem für die Führungskräfte des RBB herausgefunden hat.
Quelle: WELT

Woran die Umsetzung konkret hapert, schreibt der Senderverbund nicht. Ein Kenner des Projektes sagt, Schuld seien interne Bedenken unter Verantwortlichen im ARD-Verbund, diese hätten sich dagegen gesträubt. Diese Bedenken hätten das Vorhaben "komplett zerstört und zerfasert". Die Pressestelle der ARD dagegen beruhigt: Bei anderen Projekten könne im Gegenzug mehr eingespart werden als ursprünglich vorgesehen - somit bleibe es beim Vorhaben, bis 2028 insgesamt gut eine halbe Milliarde Euro weniger Beitragsgelder zu benötigen.

Alles im Plan also? Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), deren Einschätzungen Grundlage für die Festsetzung der Rundfunkgebühren sind, bescheinigte ARD, ZDF und Deutschlandfunk zwar, "dass es sich bei den meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen um sinnvolle Projekte" handele. Für das Projekt der SAP-Harmonisierung aber mahnte die Kommission im Februar dieses Jahres angesichts der Verzögerungen eine "zügige Bearbeitung" an.

Vor allem aber machte die KEF deutlich, dass sie die Ziele der ARD für wenig ambitioniert hält. In der Beitragsperiode 2021 bis 2024 machten die angestrebten Einsparungen nur 0,9 Prozent des Gesamtbetrages der Anstalten für Aufwendungen und Investitionen aus. Zusammenfassend heißt es: "Wesentliche Themenkomplexe, wie etwa die Einbeziehung des Programms oder Aussagen zur längerfristigen Entwicklung im Personalbereich, bleiben ausgeklammert."

Helge Lindh, kulturpolitischer Sprecher der SPD: "Es muss gespart werden".
Quelle: dpa-infocom GmbH

Nun gewinnt die politische Diskussion über die Finanzausstattung der Öffentlich-Rechtlichen an Fahrt. Helge Lindh, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte WELT AM SONNTAG: "Es muss gespart werden, aber an den richtigen Stellen." Einsparungen bei journalismusfernen Ausgaben, Aufwendungen für die Führungsebene und Kosten für Repräsentation müssten umgeschichtet werden. Die medienpolitische Sprecherin der Linken, Petra Sitte, fordert: "Entscheidungshierarchien, Kommunikation, Transparenz und Ressourcenverteilung müssen überprüft werden." Erhard Grundl, Sprecher für Kultur- und Medienpolitik der Grünen, sagte: "Der Blick auf Monatsgehälter und Boni in den Leitungsebenen zeigt klar, wo gespart werden muss. Jedenfalls nicht in den Redaktionen und bei den Gehältern der Journalisten und Journalistinnen."

Fast eine halbe Million Euro in Kunstwerken

Ein weiteres Beispiel für die mitunter mehr als üppig empfundene Ausstattung der Sendeanstalten sind deren Kunstsammlungen. Die großen Häuser wie ZDF und WDR, aber auch der vergleichsweise kleine RBB halten solche Sammlungen vor. Dieser schreibt auf Anfrage, der Anschaffungswert seiner insgesamt 484 Werke habe 434.892 Euro betragen. Die Kunstwerke dienten Repräsentationszwecken "an den Wänden von Büro- oder Konferenzräumen". Ein Teil sei in Räumen des RBB eingelagert oder werde ausgestellt. Der Saarländische Rundfunk teilte mit, rund 300 Kunstwerke zu besitzen. Gekauft worden seien sie vornehmlich in den 50er- und 60er-Jahren, vereinzelt später. Anschaffungswert: rund 200.000 Euro. Beim Bayerischen Rundfunk ist es ähnlich: Es gebe einen Bestand von rund 740 Bildern, der sich zumeist in den Büros der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und in Besprechungsräumen befinde.

Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte: "Ob der Aufbau von Kunstsammlungen durch die Öffentlich-Rechtlichen angesichts der aktuellen Debatten noch zeitgemäß ist, muss ernsthaft diskutiert werden." Die Sammlung von Kunstwerken sei sicher keine Kernaufgabe der Anstalten. https://www.welt.de/politik/deutschland/plus240574945/RBB-Affaere-Der-teure-Ballast-der-Oeffentlich-Rechtlichen.html?

Liebesbeziehungen an der RBB-Spitze, Manager kassieren Geld fürs Nichtstun: Neue Enthüllungen bringen Intendant Brandstäter in die Bredouille

Jan C. Wehmeyer

08:40, 20 Aug 2022

Die Affäre um die ausgeschiedene RBB-Chefin Patricia Schlesinger weitet sich aus. Nachdem Business Insider ein geheimes Bonussystem enthüllt hat, unterstreichen weitere Recherchen ein fragwürdiges Innenleben des Senders. Das RBB-Funkhaus in Berlin.
picture alliance/dpa | Carsten Koall

So beförderte der RBB nach dem Abgang Schlesingers trotz interner Kritik die Ehefrau der Juristischen Direktorin in die Geschäftsleitung. Sie war zuvor Personalchefin und für das Bonussystem zuständig, von dem die Führungskräfte profitierten.

Interne Dokumente belasten zudem den langjährigen Verwaltungsdirektor und neuen Intendanten Hagen Brandstäter: Demnach zahlt die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt ausgeschiedenen Mitarbeitern seit Jahren Gehälter fürs Nichtstun.

Ein Monatsgehalt fürs Nichtstun gibt es selbst in der freien Wirtschaft selten. In einem großen deutschen Automobilkonzern kommt es schon mal vor, um Managern, die ziemlich viel wissen, das lange Schweigen zu versüßen. Oder um einen Posten für den Wunschkandidaten freizuräumen. In einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wären solche beliebigen Zahlungen wohl ein Fall für den Rechnungshof - wenn er die entsprechenden Überweisungen denn findet.

Business Insider ist bei Recherchen zur RBB-Affäre nun auf Buchungsunterlagen gestoßen, die zeigen, wie vermeintlich ausgeschiedene Mitarbeiter der Sendeanstalt weiterhin ein Gehalt beziehen. Mit dem Vorgang vertraute Personen bestätigen gegen Zusicherung der Anonymität, dass intern geplant ist, diese Praxis teilweise bis zum Renteneintritt der Nutznießer fortzuführen.

Der Fall: Im November 2018 übernahm eine Vertraute von Patricia Schlesinger, Edda Kraft, die Leitung der kommerziellen Tochterfirma RBB Media. In einer Pressemitteilung hieß es: "Sie tritt die Nachfolge von Klaus-Wilhelm Baumeister an, der die RBB Media GmbH auf eigenen Wunsch verlässt." Mehr als ein Jahrzehnt war Baumeister zuvor der Chef des Unternehmens. Schlesinger, die damals den alleinigen Gesellschafter RBB vertrat, sagte zum Abschied: "Wir bedauern seinen Weggang sehr und bedanken uns für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Für seine berufliche und persönliche Zukunft wünschen wir ihm alles Gute."

Wegen Liebesbeziehung: Führungskräfte sahen Betriebsfrieden in Gefahr

Von den wahren Hintergründen erfuhr die Öffentlichkeit nichts. Wie aus E-Mails und Dokumenten hervorgeht, gab es damals einen internen Aufstand gegen Baumeister. Er hatte eine jahrelange Liebesbeziehung mit seiner Sekretärin, die später zur Leiterin des Controllings aufstieg. Im Februar 2018 schrieben eine Reihe von Führungskräften Baumeister an: Sie hätten "Kenntnis davon erlangt, dass Sie eine Beziehung mit der Mitarbeiterin (…), die bis Mitte letzten Jahres Mitglied des Betriebsrats war, haben und ein gemeinsames Kind erwarten." Weiter heißt es: "Dass dieser Umstand und die fehlende Transparenz gegenüber Ihren Mitarbeitern eine erhebliche Belastung des Betriebsfriedens darstellen und einzelne Kollegen bereits unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, hoffen wir Ihnen hinreichend deutlich gemacht zu haben."

Unter dem internen Druck unterschrieb Baumeister im Herbst 2018 einen Aufhebungsvertrag mit der RBB Media und machte also Platz für Edda Kraft. Der genaue Inhalt der Vereinbarung ist nicht bekannt. Aber: Aus internen Buchungsakten geht hervor, dass Baumeister weiterhin ein monatliches Gehalt vom RBB erhält - ohne dafür eine Leistung zu erbringen. "Baumeister musste seinen Posten für die Vertraute von Schlesinger räumen - dafür erhielt er die Fortzahlung seines RBB-Gehalts bis zur Rente", sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person. Auf Anfrage von Business Insider sagte ein RBB-Sprecher: "Mit Herrn Baumeister ist eine Vertraulichkeitsvereinbarung geschlossen, wir machen daher keine weiteren Angaben."

Für Hagen Brandstäter, der nach der Abberufung von Schlesinger geschäftsführender Intendant ist, dürfte der Vorgang heikel sein: Er saß nämlich damals im Aufsichtsrat der RBB Media und wachte als langjähriger RBB-Verwaltungsdirektor auch über die Personalausgaben des Senders.

Zahlungen bis zum Rentenalter an ausgeschiedenen Manager

Neben der Causa Baumeister gingen somit auch weitere auffällige Zahlungen beim RBB über seinen Schreibtisch. Dabei geht es um den ehemaligen Chef der RBB-Tochterfirma Dokfilm, Jost-Arend Boesenberg. Im Herbst 2019 enthüllte der Landesrechnungshof Brandenburg dubiose Vorgänge bei der Produktionsfirma, die unter anderem "Polizeiruf 110" produziert. Daraufhin schied Boesenberg laut Presseerklärung auf eigenen Wunsch zum Februar 2020 aus. Wie aus internen Buchungen hervorgeht, erhielt der umstrittene Manager aber weiterhin Geld direkt vom RBB. Bis zum 18. August 2020 kassierte Boesenberg ein Grundgehalt von 95.000 Euro und sogar eine "Leistungszulage" des öffentlich-rechtlichen Senders in Höhe von knapp 8000 Euro. Insgesamt also mehr als 100.000 Euro im Jahr. Wofür? Ein RBB-Sprecher dazu: "Herr Boesenberg hatte eine Vorruhestandsregelung, er hat inzwischen das Rentenalter erreicht. Zur Höhe der Bezüge machen wir aus Gründen des Beschäftigtendatenschutzes keine Angaben."

Stefanie T. (Name geändert) ist eine weitere ehemalige RBB-Mitarbeiterin, die noch bis zu ihrer Rente in einigen Jahren Geld vom Sender bekommt. Sie war in leitender Position, hatte mit Zahlen zu tun. "Sie war unbequem und sollte weg", erzählte uns eine mit dem Vorgang vertraute Person. Eine höhere Abfindungszahlung wäre auffällig gewesen, so der Insider. Und weiter: "Daher wurde 2018 vereinbart, ihren Lohn einfach weiterzuzahlen. Das fällt nicht auf." Tatsächlich finden sich die Überweisungen an T. im internen Buchungssystem, der Name taucht im internen Telefonverzeichnis aber nicht mehr auf. Ein RBB-Sprecher: "Zu Details von individuellen Arbeitsverhältnissen machen wir aus Gründen des Beschäftigtendatenschutzes keine Angaben."

In der Geschäftsleitung vom RBB sitzt jetzt ein Ehepaar

Pikant: Mit solchen Abfindungsverträgen waren in der RBB-Spitze die Juristische Direktorin Susann Lange und die Personalleiterin Sylvie Deléglise befasst. Ein brisantes Paar im RBB. Denn nach Informationen von Business Insider sind Lange und Deléglise verheiratet, haben gemeinsame Kinder. Erst kürzlich stieg die Personalchefin aufgrund des Abgangs von Schlesinger zur Verwaltungsdirektorin auf. Damit sitzt das Ehepaar nun gemeinsam in der Geschäftsleitung.

Business Insider konfrontierte den RBB am Donnerstagvormittag damit. Keine Antwort. Dafür legte Deléglise in einer Betriebsversammlung wenige Stunden später die Hochzeit mit Lange offen, beide seien aber mittlerweile getrennt. Dabei wurde die Trauung von höchster Stelle vollzogen, von der evangelischen Theologin Frederike von Kirchbach, der Vorsitzenden des RBB-Rundfunkrats.

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Am Freitagvormittag erklärt nun ein RBB-Sprecher: "Die beiden sind verheiratet, das war nie ein Geheimnis im rbb, sie haben aber die Geschäftsleitung und die Gremienvorsitzenden auch offiziell informiert." Business Insider fragte: War Sylvie Deléglise in ihrer früheren Funktion mit den Bonuszahlungen der Direktoren befasst? Die Antwort vom RBB-Sprecher: "Als Personalchefin war sie im Auftrag der Geschäftsleitung an der Ausarbeitung der Mechanik mit Kienbaum beteiligt. Die Initiative dazu ging nicht von ihr, sondern vom Verwaltungsratsvorsitzenden aus. Die Hauptabteilung Personal ist auch mit der Abschlussauswertung der Zielerreichung betraut."

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Quelle: businessinsider.de